Couchgespräch mit (v.l.) Ingmar Schmick (stellv. Wohnverbundleiter), Michi Kruse, Wohnverbundleiter Torsten Speer, Michael Rychlik, Nikola Gehls, Angelika Kruse-Fernkorn und Sascha Jacob

25.09.2022

Inklusives Leben mitten im Stadtteil

Wohnverbund Weitmar feiert Jubiläum mit buntem Programm im Matthäuspark

Mit einem Sommerfest im Matthäuspark Weitmar hat der Wohnverbund Weitmar Jubiläum gefeiert – aufgrund der Corona-Pandemie ein Jahr später als ursprünglich geplant. Seit über 25 Jahren gehört der Wohnverbund mit dem Wohnheim Wasserstraße, dem Apartmenthaus und vielen ambulant betreuten Wohnungen für Menschen mit Behinderung im Quartier zum Bochumer Stadtteil Weitmar.

Keimzelle des Wohnverbunds Weitmar mit einem differenzierten Unterstützungsanbot nach den Bedürfnissen und Wünschen der betreuten Menschen ist das Wohnheim Wasserstraße, das 1996 eröffnet wurde. Damals lebten dort 32 Menschen mit Behinderung. 2004 wurde mit dem Auszug der ersten Bewohner in Außenwohngruppen der Grundstein für die Dezentralisierung gelegt. Weitere folgten, sodass die Doppelzimmer im Haupthaus aufgelöst werden konnten.

Ab 2007 wurden ambulante Angebote aufgebaut. Die ersten Bewohnerinnen und Bewohnern, die bisher stationär betreut wurden, werden seitdem ambulant versorgt. Dies war ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung des Wohnverbundes. Die Anzahl der Menschen, die im Quartier betreut wurden, wuchs Jahr für Jahr. Menschen mit Behinderung erhielten in Weitmar echte Wahlmöglichkeiten, wie sie leben und unterstützt werden möchten.

Was blieb, war eine Gruppe von Menschen, die aufgrund ihrer Mehrfachbehinderung bei der traditionellen Trennung von ambulanten und stationären Leistungen und fehlendem barrierefreien Wohnraum keine Möglichkeit hatten, eigenständig und selbstbestimmt zu wohnen und zu leben. Um auch ihnen ein selbständiges Leben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, wurde das Apartmenthaus Weitmar konzipiert, das 2012 eröffnet werden konnte. Moderne Technik sowie Pflege- und Betreuungskräfte helfen Menschen mit schweren mehrfachen Behinderungen bei der Bewältigung ihres Alltags.

Parallel zu den Planungen entwickelte sich der Wohnverbund Weitmar weiter, der seit 2014 offiziell so heißt. So wurde die Begleitung von Eltern mit geistiger Behinderung ausgebaut. 2011 wurde ein Kiosk zum Quartierstreff umgestaltet. Weitere Höhepunkte waren die Gründung eines Pflegedienstes und die Schaffung eines tagesstrukturierenden Angebots. 2022 werden im Quartier Weitmar mehr als 100 Menschen mit Behinderung betreut. Mehr als die Hälfte von ihnen lebt eigenständig in der eigenen Wohnung.

Im Couchgespräch mit Wohnverbundleiter Torsten Speer und Stellvertreter Ingmar Schmick berichteten Nutzende und Angehörige über ihre Erfahrungen, Entwicklungen und Erlebnisse im und mit dem Wohnverbund. „Wir hatten erst viel Angst, dass die Menschen alleine wohnen sollten“, gibt Angelika Kruse-Fernkorn zu, deren Bruder Michi Kruse damals in das neu eröffnete Wohnheim zog und inzwischen seit vielen Jahren in einer Außenwohngruppe lebt. Doch Reinhard Jäger, der langjährige Leiter des Wohnheims und des Wohnverbunds, habe sie überzeugt. „Er hatte so viel Power für das Projekt und hat immer daran geglaubt.“ Auch Michael Rychliks Vater war nicht einverstanden, dass sein Sohn in eine Außenwohnung ziehen wollte. „Aber das Wohnheim hat mich unterstützt, sodass ich sagen konnte: ,Ich schaffe das‘“, erzählt Michael Rychlik. Die Eltern sind mittlerweile sehr stolz auf ihren Sohn.

Auch Mitarbeitende mussten überzeugt werden, dass die Dezentralisierung der richtige Weg ist, räumt Torsten Speer ein. Und mancher Bewohner war ebenfalls unsicher. „Wir hatten damals Bedenken“, sagt Sascha Jacob, der als einer der ersten aus dem Wohnheim auszog. „Heute läuft es richtig gut.“ Begeistert erzählt er von seinem Job auf einem Außenarbeitsplatz bei Rewe, wo seine Arbeit geschätzt wird und er im Team voll integriert ist. „Ich bin zufrieden mit meinem Leben und verdiene mein eigenes Geld.“ Nikola Gehls eröffnete das Apartmenthaus ein Leben in der eigenen Wohnung. „Ich habe 55 Quadratmeter und wir haben automatische Türen“, erzählt sie. Nikola Gehls sitzt im Rollstuhl und ist motorisch stark eingeschränkt. Dank der technischen Hilfen und konsequenter Barrierefreiheit kann sie trotzdem selbständig leben.

Das Sommerfest wurde mit einem Event-Gottesdienst eröffnet, den das Team der Bochumer „Jump In“-Jugendgottesdienste um Ruth Ditthardt gestaltete. Beim Markt der Möglichkeiten hatten Bewohnerinnen und Bewohner, Mitarbeitende und Gäste viel Spaß bei verschiedenen Spielangeboten, Schminken oder Tischtennis. Bei einer Tombola warteten tolle Preise. Und Ada, Lili und Margarethe – drei flauschige Schafe – freuten sich über Streicheleinheiten und Leckerchen.