Konzernbeirat zur Prävention gegen Gewalt und sexualisierte Gewalt
13.04.2022

Grenzen achten und Orientierung schaffen

Diakonie Ruhr setzt konzernweit Schutzkonzepte gegen Gewalt und sexualisierte Gewalt um. Präventionsschulungen als wesentlicher Bestandteil

Menschen, die aufgrund ihres Alters, einer Behinderung, sozialer Schwierigkeiten oder sonstiger Einschränkungen auf Assistenz-, Unterstützungs- und Betreuungsleistungen angewiesen sind, sind besonders gefährdet, von sexualisierter Gewalt betroffen zu werden. Sie kann bei den Betroffenen zu massiven psychischen und physischen Problemen führen.

„Die Diakonie Ruhr fühlt sich daher in besonderer Weise verpflichtet, die von ihnen unterstützten Menschen vor sexueller Gewalt zu schützen“, erklärt Pfarrer Sven Pernak, Theologischer Vorstand der Inneren Mission – Diakonisches Werk Bochum. Deshalb hat der Träger Schutzkonzepte gegen sexualisierte Gewalt und Gewalt allgemein entwickelt, die für alle Bereiche und Gesellschaften des Unternehmensverbunds gelten.

Damit setzt die Diakonie Ruhr die Vorgabe des Kirchengesetzes zum Schutz vor sexualisierter Gewalt der Ev. Kirche von Westfalen um. Doch die Ursprünge sind wesentlich älter. „Bereits Anfang der 2000er Jahre haben wir erkannt, dass wir ein konzernweites Rahmenkonzept zu diesem Themenkomplex benötigen“, erläutert Frank Schöpper, Prokurist in der Behindertenhilfe. Mit der Mitarbeitendenvertretung wurde eine Betriebsvereinbarung geschlossen, die nun mit den Schutzkonzepten fortgeschrieben wird.

Ein wesentlicher Bestandteil der Konzepte sind Präventionsschulungen, die für die Problematik sensibilisieren, einen Orientierungsrahmen bieten und Handlungssicherheit schaffen. Bereits im vergangenen Jahr hat die Diakonie Ruhr begonnen, in einem ersten Schritt alle Leitungskräfte entsprechend zu schulen. In einem zweiten Schritt werden die Schulungen auf Fachkräfte ausgedehnt, anschließend auf alle anderen Mitarbeitenden. Dafür stellt der Träger auch personelle Ressourcen zur Verfügung.

Janina Fiehn, Leiterin der Flüchtlingshilfe, knüpft an ihre frühere Tätigkeit in einer Fachberatungsstelle an und übernimmt mit einem Großteil ihrer Arbeitszeit das Schulungsmanagement. Dabei wird sie seit April 2022 von Teresa Thater unterstützt. Die Rehabilitationspädagogin hat bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe Menschen beraten, die sexualisierte Gewalt in Kirche und Diakonie erlebt haben. Nun ist sie nach Bochum gewechselt.

„Wir müssen als Konzern und in den Einrichtungen dazu kommen, dass nicht aus Unsicherheit heraus, durch mangelndes Wissen oder durch Nichterkennen von Gewalt weggesehen, zu spät oder gar nicht reagiert wird“, betont Janina Fiehn. „Dabei geht es auch darum, sich eines Machtgefüges bewusst zu werden.“ Die Aufmerksamkeit gilt hierbei nicht nur Bewohnerinnen und Bewohnern, Nutzerinnen und Nutzern oder Klientinnen und Klienten, sondern auch Mitarbeitenden. Denn auch sie können Opfer von Gewalt werden, sowohl durch Vorgesetzte und Kollegen als auch durch Nutzende.

Ein Verhaltenskodex dient Leitungskräften und Mitarbeitenden als verbindlicher Orientierungsrahmen für einen Grenzen achtenden Umgang sowohl mit der eigenen Klientel als auch innerhalb des Kollegiums. Ist es in einer Einrichtung zu Grenzverletzungen oder sexuellen Übergriffen gekommen, gibt ein Interventionskonzept die notwendigen Schritte vor und legt fest, welche internen und externen Stellen zu informieren sind. Dabei orientiert sich die Diakonie Ruhr an den Empfehlungen der Fachstelle für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung (FUVSS). Betroffenen – sowohl den Opfern eines Übergriffs als auch Mitarbeitenden, die eine Gewaltsituation beobachtet haben – wird individuelle Hilfe angeboten. Sie können etwa unmittelbar psychologische Beratung im Evangelischen Beratungszentrum in Anspruch nehmen.

Ein weiterer zentraler Bestandteil der Schutzkonzepte ist Partizipation. „Nutzende sollen an Entscheidungen beteiligt werden, die sie betreffen“, erläutert Frank Schöpper. „Das stärkt ihre Position und verringert das Machtgefälle zu den Betreuungskräften.“ Nötig seien etwa sexualpädagogische Konzepte für Menschen, die in stationären Wohnformen leben. „Wir dürfen Menschen in ihrer sexuellen Selbstbestimmung nicht einschränken und müssen ihnen die Möglichkeit zu einem guten Umgang mit ihren Bedürfnissen geben.“

Um die Schutzkonzepte fortzuschreiben, die Umsetzung zu überwachen, Verbesserungspotenzial zu erkennen und das Thema zu enttabuisieren, hat die Diakonie Ruhr außerdem einen Konzernbeirat zur Prävention gegen Gewalt und sexualisierte Gewalt ins Leben gerufen. Er bildet den Querschnitt des Unternehmensverbunds ab. Neben Leitungskräften aus Innerer Mission, Ev. Stiftung Overdyck, Altenhilfe und Behindertenhilfe gehören zwei Beschäftigte der Werkstatt Constantin-Bewatt als Vertreterinnen der Nutzenden sowie Astrid Platzmann-Scholten als externe Beraterin dem Gremium an.