Freuen sich über 50 Jahre Ev. Beratungszentrum Bochum (v.l.): Die Vorstände Jens Koch und Pfarrer Sven Pernak, Eberhard Starke (Leiter EBZ 1981 bis 2009), Superintendent Dr. Gerald Hagmann, Einrichtungsleitung Manuela Sieg, Eckhard Sundermann (Fachbereichsleiter Psychosoziale Hilfen 1990 bis 2015) und Vorstand Jens Fritsch.

27.03.2023

50 Jahre psychologische Beratung in Lebenskrisen

Ev. Beratungszentrum feiert Jubiläum. Gefragte Anlaufstelle für Menschen in Bochum, die Rat und Hilfe bei Konflikten und in belastenden Situationen suchen

Mit zahlreichen Gästen aus Diakonie, Kirche, Gesellschaft und Politik hat das Ev. Beratungszentrum (EBZ) sein 50-jähriges Bestehen gefeiert. Seit 1973 ist es Anlaufstelle für Menschen in Bochum, die bei persönlichen oder familiären Konflikten, in Krisen und belastenden Lebenssituationen Hilfe suchen. Das Beratungsangebot richtet sich an Eltern, Kinder, Jugendliche, Paare, Familien und Einzelpersonen, unabhängig von Alter, Herkunft, Nationalität, Weltanschauung oder sexueller Orientierung. Auch Einrichtungen, Dienste und Gemeinden bekommen fachliche Unterstützung. „Damit trägt das Ev. Beratungszentrum dazu bei, Kirche als Ort des Trostes erlebbar zu machen“, sagte Diakoniepfarrer Sven Pernak in der Andacht zu Beginn des Festaktes im Stadtteilzentrum Q1.

Nach einem aktuellen Videoporträt des Ev. Beratungszentrums, das auch auf dem Youtube-Kanal und der Homepage der Diakonie Ruhr zu sehen ist, nahmen Jens Fritsch, Vorstand der Inneren Mission – Diakonisches Werk Bochum, und Einrichtungsleitung Manuela Sieg die Gäste mit auf eine launige Reise durch die Geschichte der Beratungsstelle. Dabei wurden sie von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen unterstützt.

„Nach langjährigen Bemühungen und Überwindung mannigfaltiger Schwierigkeiten konnte am 1. März 1973 die Beratungsstelle in 6 Räumen des ehemaligen Pfarrhauses in Altenbochum, Lutherstr. 59, beginnen. Schon nach kurzer Zeit zeigte die über das erwartete hohe Maß noch hinausgehende Zahl der Ratsuchenden, wie dringend notwendig die Einrichtung der Stelle war. Dabei kann die Beratungsarbeit wegen finanzieller und personeller Begrenzungen bislang nur an drei Tagen geschehen“, zitierte Jens Fritsch aus dem ersten Jahresbericht des Ev. Beratungszentrums. „Darin steckt Vieles, was heute noch gilt“, sagte er. Der Bedarf an psychologischen Hilfen durch qualifizierte Fachkräfte aus den Fachrichtungen Psychologie, Sozialpädagogik und Heilpädagogik ist unverändert hoch und die Beratungsangebote werden zunehmend spezialisiert vorgehalten. „In diesem Jahr hatten wir schon 360 Neuanmeldungen“, berichtete Manuela Sieg.

Die Beratungsstelle, die in den ersten Jahren mehrmals umzog, wechselte 1976 aus der Trägerschaft des Kirchenkreises zum Ortsverband für Innere Mission. Von 1981 bis 2009 wurde sie vom Pfarrer und Diplom-Psychologen Eberhard Starke geleitet. Kurz nach seinem Amtsantritt zog die Einrichtung in das Paul-Gerhardt-Haus in Bochum-Wiemelhausen. Dort wurde endgültig das Konzept für eine integrierte Beratungsstelle entwickelt.

„Im goldenen Jahrzehnt der 1980er Jahre ist viel entstanden an Beratungsarbeit und Angeboten“, erinnerte sich Eckhard Sundermann. Der Diplom-Psychologe begann damals seine Karriere im EBZ, von 1990 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 2015 leitete er den Fachbereich Psychosoziale Hilfen der Diakonie Ruhr. „Das Jahrzehnt war auch gekennzeichnet von einer enormen Entwicklung therapeutischer Verfahren“, erzählte er. „Und wir waren in Bochum immer vorne mit dabei.“ Im Ev. Beratungszentrum wurde das Angebot durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erheblich ausgeweitet, zeitweilig ergänzten fünf Diplom-Psychologinnen und -Psychologen das Team in besonderen Projekten.

1986 wurde die Frühförderstelle für behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder ins EBZ integriert. Heute ist es eine eigenständige Einrichtung. Aus dem Angebot „Beratung für Menschen mit geistiger Behinderung und deren Angehörige“, das 1999 geschaffen wurde, ging später die FamilienAssistenz hervor. Seit 2001 arbeitet das Beratungszentrum als anerkannte Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle. 2009 zog das EBZ mitsamt der Frühförderstelle ins Haus der Diakonie am Westring 26. Dort wurden 2012 für beide Stellen getrennte Organisations- und Leitungsstrukturen geschaffen. Traumaspezifische Beratungsangebote für Kinder und Jugendliche gibt es – zunächst gefördert durch die Aktion Mensch, später in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt der Stadt Bochum – seit 2016. 2022 kam die spezialisierte Beratung bei sexualisierter Gewalt für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und deren Bezugspersonen als Arbeitsfeld hinzu.

„Dass man Menschen ein Stück weiterhelfen kann, gibt Kraft und Antrieb. Manchmal merkt man, dass sich Klientinnen und Klienten in Laufe des Beratungsprozesses positiv verändern“, erklärte Herbert Wittig. Fast 25 Jahre lang arbeitete er als Berater im EBZ, auch als Rentner machte er noch zwei Jahre lang hauptamtlich mit reduzierter Stundenzahl weiter. Waltraud Hauck, die 2001 nach 14 Jahren in den Ruhestand trat, blieb ebenfalls noch zwei Jahre lang aktiv – als Honorarkraft. „Wir waren ein tolles Team, nicht nur in der Beratung, sondern auch privat“, betonte sie.

Einrichtungsleitung Manuela Sieg würde sich wünschen, dass Gesetzgeber und Kostenträger den präventiven Wert einer niedrigschwelligen psychologischen Beratung erkennen und dass diese zur Grundversorgung einer Gesellschaft wird. „In Krisen können wir alle geraten, dies gehört zum Leben dazu und bedarf nicht gleich einer längerfristigen Psychotherapie, die von einer Problematik mit Krankheitswert ausgeht“, erklärt sie. In belastenden Situationen sollten auch Paare und Einzelpersonen einen Anspruch auf psychologische Beratung haben, wie sie für Eltern, Kinder und Jugendliche vorgesehen ist. Die Angebote der Ehe-, Familien- und Lebensberatung, der Erziehungsberatung sowie der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung machen den evangelischen Anspruch deutlich, Menschen jeden Alters in problematischen Lebenssituation zu begleiten und zu unterstützen.

Entscheidend seien dabei auch die menschlichen Begegnungen, erklärt Manuela Sieg. „Das ist ein hohes Gut, dass man nicht ersetzen kann.“ Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Kontaktbeschränkungen hätten dies deutlich gezeigt. Zwar setzt das Ev. Beratungszentrum auch moderne Kommunikationsformen wie Videoberatung ein. Doch Manuela Sieg betont: „Wir sind moderner und digitaler geworden, doch ersetzt dies nicht die Face-to-Face-Beratung. Dies zeigen auch die Anfragen unserer Klientinnen und Klienten.“